Es gibt noch nicht viele Studien darüber, jedoch scheint es so, dass das Schreiben selbst uns tatsächlich hilft, Dinge besser zu merken. Interessant ist, dass das Aufschreiben insbesondere dabei hilft, wichtige Dinge zu erinnern, und dass es wahrscheinlicher wird, dass man sich daran erinnert, je besser man seine Notizen strukturiert.
Das Gehirn ist in mehrere Regionen unterteilt, die verschiedene Arten von Informationen verarbeiten. Es gibt separate Regionen, die visuelle Informationen, auditive Informationen, Emotionen, verbale Kommunikation usw. verarbeiten. Obwohl diese verschiedenen Regionen miteinander kommunizieren (wenn wir zum Beispiel ein Kunstwerk betrachten, haben wir oft eine emotionale Reaktion, die dann an das Sprachzentrum unseres Gehirns gesenden wird und verbal einem anderen mitgeteilt wird), hat jede von ihnen ihre eigenen Prozesse, die Vorrang haben und zuerst vollzogen werden müssen.
Wenn wir einen Vortrag hören, ist der Teil unseres Gehirns beschäftigt, der sich mit Zuhören und Sprache befasst. Dieser gibt einige Informationen an unser Gedächtnis weiter. Es scheint jedoch so, dass das Gedächtnis keinen Wert darauf legt, wie dies geschieht. Wichtige Inhalte werden genauso behandelt wie triviale Inhalte.
Wenn wir uns jedoch Notizen machen, passiert etwas Interessantes: Während wir schreiben, erstellen wir räumliche Beziehungen zwischen den verschiedenen Informationen, die wir aufzeichnen. Räumliche Aufgaben werden von einem anderen Teil des Gehirns erledigt und die Verknüpfung der verbalen Informationen mit der räumlichen Beziehung scheint die weniger relevanten Inhalte herauszufiltern.
In einem psychologischen Test (Peper und Mayer, 1978) fand man heraus, dass Studenten in einer Vorlesung, die Notizen machten, sich an die gleiche Anzahl an Inhalten erinnerten wie Studenten, die keine Notizen machten. Das heißt, das bloße Notieren hat die Menge der Dinge, die sie auswendig gelernt hatten, nicht erhöht. Beide Gruppen von Studenten erinnerten sich an ca. 40 % der in der Vorlesung behandelten Inhalte. Die Studenten, die sich Notizen machten, erinnerten sich jedoch an einen höheren Anteil wichtiger Fakten, während sich diejenigen, die keine Notizen gemacht hatten, an eine zufällige Auswahl an Inhalten erinnerte, die in der Vorlesung behandelt wurden.
Dieser Test legt nahe, dass wir beim Schreiben (bzw. kurz vor dem Schreiben) ein gewisses Maß an Überlegungen anstellen, um die Informationen, die wir erhalten, zu bewerten und zu ordnen. Dieser Prozess (und nicht die Notizen selbst) trägt dazu bei, die Inhalte fester in unseren Köpfen zu verankern, was zu einer besseren Erinnerung führt.
Auch wird der Aufnahmeprozess von wichtigen Inhalten verstärkt, indem wir eine Verbindung herstellen zwischen dem räumlichen Teil unseres Gehirns, den wir verwenden müssen, um sinnvolle Notizen auf Papier zu machen (Schreibhand), und dem verbalen Teil unseres Gehirns, den wir benötigen um aussagekräftige Äußerungen zu machen.
Und es gibt noch etwas Bemerkenswertes: Wenn wir etwas aufschreiben, scheint es für unser Gehirn so zu sein, als würden wir das Geschriebene in der Realität tun. Schreiben scheint eine Art mentale Miniübung zu sein. Das Visualisieren von Inhalten kann das Gehirn dazu bringen, zu glauben, dass es das Gedachte tatsächlich tut, und das Aufschreiben von Inhalten scheint den gleichen Effekt auszulösen. Dies führt wiederum zu einem besseren Auswendiglernen, genauso wie die Visualisierung der Leistung einer neuen Fertigkeit unser Fertigkeitsniveau tatsächlich verbessern kann.
Weiterhin sei auf den Modalitätseffekt verwiesen (experimentelle Psychologie), der besagt, dass die Leistung des Lernenden von der Präsentationsart des Inhalts abhängt, sowie auf die Aufmerksamkeit, die einer Information geschenkt wird. Wenn man den Aufwand und die Art und Weise, wie man Informationen aufnimmt, erhöht, kann man Inhalte besser verarbeiten. Dieser Prozess wird als „Encoding“ bezeichnet (das Gedächtnis kann Informationen codieren, speichern und abrufen).
Je tiefgehender man Inhalte aufnimmt und verarbeitet, desto wahrscheinlicher ist es, dass man sein Gedächtnis für den zukünftigen Abruf ordnungsgemäß „codiert“. Beispielsweise ist das Betrachten von Zeichen/Worten eine recht oberflächliche Verarbeitung, sie jedoch selbst zu schreiben oder sogar selbst zu verfassen ist relativ aufwändig und tiefergehend (Modalitätseffekt).
Wenn man anderen erklärt und vorführt, wie Dinge funktionieren, oder wenn man eine Aufgabe selbst ausführt, ist es wesentlich einfacher, sich an diese Dinge zu erinnern, als wenn man nur darüber gelesen hat. Das Denken, das vor dem Niederschreiben stattfindet, kann als solch eine Tätigkeit betracht werden. Dies ist ggf. auch der Grund dafür, dass im Unterricht häufig Aufsätze verfasst werden.
Das zustandsabhängige Erinnern (auf Englisch „transfer-appropriate processing“) kann hier ebenfalls relevant sein, da ein erfolgreiches Abrufen von Inhalten wahrscheinlicher ist, wenn man versucht, Informationen in einem ähnlichen Kontext abzurufen, der während der ersten Codierung vorlag.
Wenn wir also annehmen, dass Lernen durch das Anlegen geordneter Verbindungen passiert und der Erfolg des Erinnerns von der Anzahl der Verbindungen abhängt, die wir hergestellt haben, dann liegt es nahe, dass das Schreiben als zusätzliche Verbindung dabei hilft, sich zu erinnern.
Prof. Putnam hat mehrere Jahre untersucht, ob es für das Gedächtnis am besten ist, bestimmte Antworten laut zu sprechen, zu schreiben oder sogar laut zu denken. Seine Forschung hat keine Unterschiede zwischen diesen verschiedenen Modalitäten ergeben, trotz dessen, was wir über transfergerechte Verarbeitung und Codierung wissen. Andere Untersuchungen zum Reproduktionseffekt legen jedoch nahe, dass das eigene Erstellen einer Antwort zu einem Thema zu einer deutlich besseren Erinnerung führt als nur das Lesen alleine. Es scheint, als ob das Erzeugen einer Antwort die Fähigkeit der Unterscheidung innerhalb des Gedächtnisses erhöht.
Einige Untersuchungen zeigen jedoch, dass es nicht die Art und Weise ist, wie man Informationen aufzeichnet, sondern vielmehr, wie man sich selbst damit testet. Betrachtet man beispielsweise ein Symbol, das man erlernen möchte, stellt man es sich vor und überprüft sich dann, ob man es sich merken konnte - dies ist dem Betrachten, dem Aufschreiben und dem anschließenden Überprüfen sehr ähnlich.
Das Schreiben selbst kann das Gedächtnis nur indirekt beeinflussen, aber der Mechanismus der Verstärkung/Einprägung liegt wie beschrieben in der Erhöhung der Aufmerksamkeit. Ein Beispiel: Professionelle Sportler führen ihr Training etwa 50 % mental aus. Sie sehen sich andere Sportler an und stellen sich vor, wie sie sich verbessern können. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Sport physisch ausgeübt wird oder ob er sich nur vorgestellt wird, solange ein gewisser Aufmerksamkeitsgrad vorliegt.
Auch wenn das Schreiben geeignet ist, sich Dinge besser zu merken, so bedeutet dies jedoch nicht, dass es nicht andere Strategien zur Verbesserung der Erinnerung gibt, die überlegener sind. Je tiefer etwas encodiert/verschlüsselt/eingebettet ist, desto wahrscheinlicher wird es gelernt.
Quellen:
1. https://www.lifehack.org/articles/featured/writing-and-remembering-why-we-remember-what-we-write.html
2. The Psychology of Human Memory (Google Books)
2. https://psychology.stackexchange.com/q/68/26075
3. https://en.wikipedia.org/wiki/Modality_effect
4. https://en.wikipedia.org/wiki/Encoding_(memory)
5. https://en.wikipedia.org/wiki/Transfer-appropriate_processing
6. https://www.furman.edu/people/adam-putnam/
(Wikipedia-Links nur zum Vertieften, nicht als Referenz)