Die jüdische Bevölkerung während der Weimarer Republik hatte eine ambivalente Entwicklung. Auf der eine Seite waren alle Beschränkungen, die es zur Kaiserzeit noch gab, gefallen und Juden standen nun alle Positionen offen. Auf der anderen Seite gab es jedoch Zeichen eines Niedergangs und einer Krise. Dies wird durch demographische und soziale Veränderungen belegt. Beispielsweise gab es 1925 noch 564379 Juden in Deutschland, im Juni 1933 waren es jedoch nur noch 499 682, da viele Juden das Land verlassen hatten, wegen der Terroraktionen der Nationalsozialisten. Der Rückgang der jüdischen Bevölkerung war durch mehrere Faktoren verursacht, wie zum Beispiel einen Rückgang der Kinderzahl und Überalterung der jüdischen Gruppe im Vergleich zur Allgemeingesellschaft.
Auch wirtschaftlich gab es Veränderungen. Die Behauptung, dass die Juden das Wirtschaftsleben beherrschten, war Propaganda. Zwar gab es noch einige bedeutende jüdische Privatbanken, aber an den wichtigeren großen Aktienbanken lag der Anteil jüdischer Besitzer nur noch bei einem Prozent und entsprach dem jüdischen Bevölkerungsanteil. Einen dominierenden Anteil mit circa 40 Prozent hatten jüdische Bürger lediglich in der Textilindustrie. Der jüdische Mittelstand hatte stark unter der Inflation und der Weltwirtschaftskrise gelitten und viele seiner Mitglieder verarmten und mussten von der „Jüdischen Wohlfahrtspflege“ unterstützt werden.